above the sky

Nirvana

Dort stand ich nun allein. Getrennt von allem und gebunden an nichts. Über mir der weite klare Himmel und unter mir das tiefe dunkle Meer. Ein einziges kleines Leben zwischen zwei Welten die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch so sehr verbunden sind. Eine Ebene, die alles vereint und der einzige Ort ist, an dem doch nichts davon gilt. Hier bringt kein Gedanke was, keine Tat und kein Versuch. Ein Raum in welcher die Zeit niemanden beeinflusst, wo die Zeit keinen Moment ausmacht, dort wo die Zeit weder langsam noch schnell vergehen kann, dort wo Alter nicht existiert, sondern wo Verstand über deine Zukunft entscheidet. Hier kommt nur zurecht, wer es vermag nicht zu denken und nicht zu handeln. Jemand der das nicht versteht, der nicht seine innere Ruhe findet, wird diese Prüfung nicht schaffen. Denn ob Krimineller oder Papst, ob König oder Bauer, hier sind wir alle gleich.

Die Definition von Leben und Tod verfällt in ihre Grundzustände und wird ab absurdum geführt, wenn die Zeit versiegt. Nahezu lächerlich erscheint einem sein Leben ab diesem Punkt, denn alles was getan wurde, alles was erreicht wurde und alle Sorgen und Gedanken verschwinden in dem Moment, in dem einem klar wird das nichts mehr gilt, dass alle Taten unwichtig und nichtig waren. Das Leben war ein Augenzwinkern, welches nicht einmal beachtet wurde. Ein vergeblich trauriger Versuch Aufmerksamkeit zu erhaschen und zu zeigen, dass es einen selbst gab. All die Momente sind gesamt nur ein Bruchteil dessen was überhaupt ist. Jene welche glauben alles zu wissen oder beherrschen zu können, sehen hier das sie unbedeutend waren oder falsch lagen. Der Tod ist, wenn Zeit real ist, der große unbezwingbare Gleichmacher. Fehlt der Aspekt jedoch, verändert sich zudem auch die Bedeutung des Lebens, des Todes und die Bedeutung aller Handlungen. Zeit gibt dir eine Bedeutung. Ein Ziel. Einen Sinn.

Ich schaute in endlose leere Weiten und begabt mich auf die lange Reise ins… Ich wusste es nicht einmal. Hier gab es keine Geräusche, keine Gerüche, keine Struktur. Alles war gleich. Ich ging einfach vor mich hin. Eben war ich noch auf der Erde und nun wanderte ich im Nirwana umher. Das einzige das hier galt und von dem ich wusste war, dass ich umgebracht wurde. Ich wusste nicht wann oder wieso überhaupt. Wer war Ich, wenn ich hier nicht mehr galt. Ich war nichts, kalt bis ins Innere und doch stand ich hier noch. Meine Schritte fielen immer schwerer zu Boden und sanken in das schwarzblaue Meer ein. Meer? Erst jetzt erschien es mir seltsam das ich auf dem Meer stand, oder war es das überhaupt? Woher glaube ich dies zu wissen, wenn ich hier bisher nur stand. Ich kniete langsam nieder und fasste mit meiner Hand den Boden an. Es war kalt, nahezu eisig. Der Frost schoss durch meinen Arm, in meine Lungen, weiter zum Magen herunter in die Beine und wieder in den Boden. Ich war starr vor Kälte und doch fühlte es sich nicht unbekannt an. An meinen Füßen erschien auch kein Eis oder irgendetwas. Selbst diese kleine Hoffnung verflog im Winde. Nichts von all dem schien real zu sein, weder Boden noch mein Gefühl. Ich versuchte weiter in die Tiefe zu blicken und etwas zu erblicken, aber nach wenigen Metern erlosch jegliches Licht. Ich richtete mich langsam auf und blickte verwundert auf meine Hand, da dieses eisige Gefühl vollständig verschwunden war und sich ein taubes Gefühl einstellte. Es fühlte sich nahezu so an als sein mein Arm abgestorben und von innen heraus verfault. Einige Momente lang konnte ich ihn auch nicht wirklich bewegen oder spüren. Erst nach und nach kam mein Gefühl wieder zurück und ich entspannte mich wieder. Ich ging langsam weiter und versuchte diesen durchaus seltsamen Untergrund keines Blickes zu würdigen. Ich schaute gen Himmel und hoffte dort irgendetwas zu erspähen. Es war mir mittlerweile egal ob es ein Vogel oder eine Regenwand war. Mir war alles recht, solange ich mich hätte daran orientieren können, aber es gab nichts. Mein Unwohlsein stieg immer weiter an und eine Angst wie ich sie bisher nicht kannte staute sich an. Ich würde dies sicherlich nicht lange mitmachen können. Also rannte ich so schnell los wie ich nur konnte, ich versuchte mich aus zu powern und einfach den Kopf wieder frei zu bekommen. Ich war es doch noch selbst der sagte das nur die die nicht denken und handeln hier überleben. Ich? Ich stoppte meinen Sprint so abrupt das ich mich nicht auf den Beinen halten konnte und mit dem Gesicht in den gruseligen Boden fiel. Ein Schmerz aus Kälte und Taubheit schoss mir in den Kopf und in meine Hände, mit denen ich meinen Fall intuitiv stoppen wollte. Vom Schmerz getrieben sprang ich auf und versuchte zu schreien, aber mein Mund war taub, taub von dem Schmerz, wie schon zuvor mein Arm. Mein ganzer Körper wurde erneut von Kälte durchzogen, welche wieder an meinen Füßen ihren Ausgang fand. Ich schrie lautlos weiter und weiter und rannte sinnfrei und voller Erschöpfung umher. Nach und nach fand auch dieser Schmerz sein Ende während ich wieder schreien konnte und dies auch in vollem Umfang ausnutze. Ich schrie bis mein Hals selbst schmerzte und ich langsam wieder zu Verstand kam. Langsam beruhigte ich mich und holte erstmal wieder tief Luft. Ich stand herum, mit kalten Tränen in den Augen und heißen Schmerz in der Brust und blickte in den Himmel. „Das war nicht ich“: sagte ich leise, ehe ich es erneut umherbrüllte. „Wer ist dort“, „Wo versteckst du dich“, „Was soll das“. Jeder meiner Rufe wurde lauter und aggressiver, während ich panisch umherblickte. Doch nichts geschah. Niemand der antwortete und niemand der sich zeigte. War ich bereits verrückt? Verrückt genug, um mit mir selbst Gespräche zu führen und philosophische Aussagen zu erstellen, schien ich zu sein.

Ich hatte mein Zeitgefühl und meine Orientierung, ohne es zu merken verloren. Wie sollte es nun weiter gehen. Ich musste was tun, aber wie, wenn es nichts gab mit dem ich etwas hätte tun können. Je weiter ich dachte umso mehr geriet ich wieder in Panik. Bis zu diesen einen Gedanken. Er schoss wie ein Blitz durch all meine vorherigen Gedanken durch und ließ sie in sekundenschnelle verblassen. Meine letzten Worte kamen mir wieder in den Sinn. Augmenta. Ich hatte diese Worte auf meinen Reisen durch die Welt hin und wieder gehört. Es war ein Wort aus einer alten vergessenen Sprache, wie mir ein älterer Priester auf der schwelle zum Tode einst mitteilte. Es war die Ursprache, aus welcher alle neueren Sprachen hervorgingen. Scheinbar waren die Ältesten und Weisen des Volkes der Taslieten, welche jene Sprache erschufen, von der Geisterwelt besessen und beteten einen Geistergott an. Dieser Gott soll Augmenta besitzen. Keiner weiß was es bedeutet oder was es ist, aber im Tode soll man danach suchen können. Im Leben soll es wohl unerreichbar sein. Ich wunderte mich seit jenem Treffen mit dem Priester warum jemand nach seinem Tod nach etwas suchen sollte, aber je länger ich hier stand umso eher verstand ich es. Man bekam eine Aufgabe. Etwas zu tun und ein klares Ziel. Etwas das es in dieser Welt eigentlich nicht geben sollte. Ich hatte mich wieder gefasst und machte mich auf den Weg. Der Weg war einfach dort wo ich hin ging, denn wo nichts ist kann man auch nicht falsch laufen. Ich verstand langsam was diese Worte über nicht denken und handeln eigentlich bedeuteten. Die Weisen eines alten Volkes hatten scheinbar einen Weg gefunden das Leben nach dem Tod, das Leben im endlosen Nirwana zu überstehen. Nicht zu denken und zu handeln bezog sich auf diese Welt, aber nicht auf meine alte. Ich hatte mir hier eine Aufgabe gegeben durch eine Geschichte aus meiner Welt und war somit nicht weiter im nichts gefangen. Alles erschien mir Sinn zu ergeben und meine Laune besserte sich enorm, was mir ein lächeln auf mein mit Narben verziertes Gesicht zauberte. Ich schloss meine Augen und ließ die Warme Luft über meine Haut fegen, während ich meinem eigenen Weg folgte.

Glück ist etwas Selbstgemachtes und Undefiniertes. Die Menschheit hat es sich aber wider aller Sinnhaftigkeit zur Aufgabe gemacht solchen Dingen eine Definition aufzuzwängen. Ob Glück oder Freiheit, alles hat eine feste Definition bekommen und ein klares Ziel. Das es gegen den Ursprung des ganzen geht und dem im Grunde daher widerspricht ist an diesem Punkt nicht weiter relevant für die Menschen, allen voran den Königen, Adligen und hohen Beamten. Sie haben allerlei Rechte und geben anderen vor was für die normalen Bürger Glück und Freiheit sind, sodass sie weiter herrschen können wie sie es immer getan haben. Zeit ist dabei immer ein Faktor. Würde man die Menschliche Gesellschaft in eine Zeitlose Welt bringen, würde das gesamte Konstrukt zusammenbrechen und die Herrschenden unter sich im Schutt begraben. Erst wenn die Angst aufkommt kein Ziel mehr zu haben, weil einem die Zeit nicht davon läuft oder weil es nichts mehr gibt, wird dies unabdingbar jedem klar. Im nichts ist man wahrlich Frei. Jeder kann tun und lassen was er will, er kann es machen wann und wie er es will. Es ist einem selbst überlassen. Ich war nun vollkommend auf die Philosophische Schiene abgerutscht und verpasste mir Backpfeifen bis ich das Blut in den Wangen pulsieren spürte. Ich öffnete langsam wieder meine Augen, denn auch wenn ich hier über nichts fallen konnte, war es dennoch ungewohnt mit geschlossenen Augen durchgehend umher zu laufen. Ich traute meinen Augen kaum und zwickte mich mehrmals, als ich die Bäume, den Weg und das alte Holzhaus sah. Ich war daheim, ich war wieder vor der Hütte in welcher ich mein Leben verbracht hatte. Dort war die Feuerstelle, welche mit gröberen schon angerußten Steinen umgeben war, die alte Holzveranda, welche beim jeden Schritt knarzte als ob sie einen warnte auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Ich rannte über den noch nassen Schotterweg zum Haus und riss die Tür auf und fiel auf die Knie. Mich schauten zwei grün-braune Augen erwartungsvoll an, ehe das Fellbüschel auf mich zustürmte und mich ansprang. Die Tränen in meinen Augen verschwammen meine Sicht und mein geschluchzte klang wahrscheinlich kindlich, aber nach über 22 Jahren hielt ich meinen Goldwolf Xara wieder in den Armen. Er war gestorben als meine Eltern mich noch nicht verlassen hatte und… . Dieser Gedanke hätte mich aus der Trauer reißen sollen, aber ich sah ein das ich Augmenta niemals finden musste. Mein Glück war hier. Ich lebte.

 

Auszug aus den Chroniken Berula

Erster Auszug – Taslieten

 

Die Taslieten waren das erst Volk, welche die Stufe zur Hochkultur meisterten. Sie meisterten eine Schrift zu etablieren und damit das Gefühl einer Gemeinschaft und Zugehörigkeit zu erschaffen. Binnen weniger Jahre expandierte ihr Reich zur zehnfachen Größe und gewann unter ihrem ersten Gottkönig Xarand etliche Kriege gegen kleinere Kriegsstämme aus dem Norden Ranniens.

 

Die Ältesten und Weisen des Volkes der Taslieten forschten an dem Zusammenhang zur Geisterwelt und beteten einen Gott an, “Übersetzt: Gwan“, welcher die Geisterwelt und das Nachleben kontrollierte. Die Kultur baute sich immer weiter auf diesem Gott und den Glauben an ihn auf.

 

Die Kultur der Taslieten brach durch nicht nähere bekannte Ursachen binnen weniger Tage komplett zusammen. Das heutige Reich der Taslieten besteht aus mehreren Stadtstaaten, welche im ewigen Konflikt um den Herrscherthron stehen.

 

Lese Fortschritt 7%